Erst einmal: Vielen Dank! Alle Mühe, alle Anstrengung und Auseinandersetzung hat sich gelohnt. Die Idee des brandenburgischen Bildungsministeriums und der F.C. Flick Stiftung, ein etwas anderes deutsch-polnisches Theatertreffen zu organisieren, war eine sehr schöne, wenn oder zum Glück auch folgenreiche.

Anlässlich der EU-Erweiterung wollten wir mit unseren theaterspezifischen Möglichkeiten und mit dem gewählten Motto: POLEN OFFEN vor allem dem Rechnung tragen, dass auch junge deutsche und polnische Menschen zu wenig Kontakte haben. Was nützen offene Brücken, wenn die Fundamente wackeln. Neue Ideen waren gefragt.

Eingeladen waren eine deutsch-polnische, drei deutsche und zwei polnische Schülertheatergruppen sowie deutsche und polnische Theaterpädagogen zu gemeinsamen Arbeitstagen an den Uckermärkischen Bühnen Schwedt und in den angrenzenden deutschen und polnischen Orten. Beim Übersetzen halfen polnische Schüler, die in Gartz zur Schule gehen. Sie bereicherten das Programm u.a. mit recherchierten Geschichten ihrer Großeltern in den letzten Kriegstagen.

Wir wollten also ein etwas anderes Schülertheaterfestival machen. Keine fertigen Stücke, keine Bühne. Die als Ergebnis gezeigten Aktionen im öffentlichen Raum sollten den Anspruch haben, das Thema “richtig rüberzubringen” und es wirklich zum Thema der jungen Menschen und des Publikums zu machen, gerade, weil es ein politisches war.

Unsere verabredete Methode, das Unsichtbare Theater als eine Form des Theaters der Unterdrückten, geht von einer festumrissenen Problemsituation aus. Es muss detailliert von den SchauspielerInnen vorbereitet werden. Sie müssen sich dabei so intensiv wie möglich in die vorgeschriebenen Rollen hineinversetzen. Jede Kleinigkeit ist wichtig, um das Spielen der Szene glaubhaft zu machen. Es kommt im Wesentlichen darauf an, die Realität in der Realität zu spielen. Es gibt keine klassische Bühne, „die Welt stellt die Bühne dar”, d.h. die uns bekannte Öffentlichkeit: Alltag, Schulhof, Bus, Wochenmarkt, Bankfiliale, Grenzübergang, Weg zur Grenze, Einkaufscenter, etc. sollten uns als Spielort dienen. Keiner außer den SchauspielerInnen sollte wissen, dass Theater vorgeführt wird. Es war wichtig, dass die Idee für das Unsichtbare Theater aus dem Erfahrungsraum der TeilnehmerInnen kommt, die sie auch spielen müssen. Es war mit dem Motto des Treffens fest umrissen.

Mit diesem Vorhaben hatten wir uns ein hohes Ziel gesteckt und manchmal war der Weg das Ziel. Zuerst also Kennenlernspiele, Interaktionen, kleine Improvisationen und immer wieder kleine Sprachkurse, gemeinsames Essen, gemeinsames Feiern.

Wir planten an den Werkstatttagen auch das Kennenlernen der Örtlichkeiten und die Suche nach Spielorten ein. Sie mussten sondiert und auf eventuelle Probleme hin untersucht werden. Auch dieser Prozess konnte von allen verfolgt werden. Welcher Centermanager oder Bundesgrenzschützer möchte schon, dass in seinem Einkaufscenter oder an seiner Grenze provoziert, geklaut, beleidigt wird?

Am letzten Arbeitstag der Begegnungen waren wir dann auf den ausgewählten Strassen und besonderen Orten entlang der deutschen und polnischen offenen Grenze. Das „Unsichtbare Theater” zielt normalerweise auf die aktive Beteiligung der Zuschauerlnnen hin. Manchmal ist das in bemerkenswerter Weise gelungen. Übrigens haben in Schwedt die Menschen immer wieder bei den scheinbar echten Ungerechtigkeiten Partei für die Unterlegenen ergriffen. In Polen waren ganz offensichtlich besonders die deutschen Teilnehmer stolz darauf, einfach so auf einem Platz vor fremden polnischen Jugendlichen zu spielen. Auch wenn das kein Unsichtbares Theater war.

Die psychische und physische Mitarbeit der fast 80 jugendlichen TeilnehmerInnen zwischen 14 und 19 Jahren aus Schwedt, Gartz/Oder, Eberswalde, Bad Freienwalde (Land Brandenburg) und Pyrzyce, Gryfino und Szczecin (Republik Polen) und aller erwachsenen Mitarbeiter war erstaunlich und fruchtbringend. Auswertend hatten alle das Gefühl, dass eine lebendige, im wahrsten Sinne des Wortes Völkerverständigung passiert ist. Die meisten beschrieben, dass sie eine so schnelle Verständigung gar nicht erwartet haben. Der zukünftige Austausch wird ganz sicher stattfinden, es gab erste Verabredungen und einige zaghafte interkulturelle zwischenmenschliche Beziehungen. Manchmal hatten wir Angst, dass die Schüler mit dem täglich überaus großen Arbeitspensum überfordert sind. Workshops ab 10.00 Uhr bis 18.00 Uhr, anschließend die volle Packung Kultur. Profitheater aus Polen und Deutschland, internationale Musikgruppen, Festveranstaltungen im Rahmen des zeitgleich stattgefundenen Festivals Theater grenzenlos.