Eine Veranstaltungs- und Publikationsreihe des Landesinstituts für Schule und Medien Berlin-Brandenburg (LISUM) in Kooperation mit FILMERNST
Rund 1.000 Schülerinnen und Schüler haben bislang am Projekt teilgenommen.
Das Projekt
Das Vergangene wirkt in die Gegenwart hinein. Der 20. Jahrestag der Friedlichen Revolution und des Mauerfalls haben dies auf allen Ebenen bewusst gemacht – vom Politischen bis zum Privaten.
Die Auseinandersetzung mit der jüngsten deutschen Geschichte und der DDR-Vergangenheit ist Voraussetzung für eigene Positionsbestimmungen im Hier und Heute. Wie Vergangenes vergegenwärtigt wird, hängt auch vom Medium der Vermittlung ab. Filme spielen insbesondere bei jungen Menschen eine herausragende Rolle – hinsichtlich der Beliebtheit des Mediums, der quantitativen Nutzung und nicht zuletzt seiner Wirkung, unabhängig davon, ob es sich um Fiktionen oder Dokumentationen handelt. Das Vertrauen in die Seriosität der durch Filme vermittelten Geschichtsbilder mag nicht unbedingt stark ausgeprägt sein, dennoch ist der Einfluss der bewegten Bilder nicht zu unterschätzen, gerinnen filmische Darstellungen allzu leicht zu scheinbar adäquaten Repräsentationen von Vergangenheit.
Dem Bildungsbereich erwächst in diesen Zusammenhängen eine zweifache Verantwortung und Aufgabe, zu der das vom Landesinstitut für Schule und Medien Berlin-Brandenburg (LISUM) in Kooperation mit FILMERNST entwickelte und gestaltete Projekt »Vergangenheit verstehen, Demokratiebewusstsein stärken: Die DDR im (DEFA-)Film« einen ganz innovativen Beitrag leistet: Die Entwicklung grundlegender Fähigkeiten im Umgang mit Film, die anschauliche Erfahrung filmischer Zeugnisse als Teil des kulturellen Gedächtnisses und die damit verbundene Förderung historischen Wissens und historischer Kompetenzen in der kritischen Beschäftigung mit DDR-Vergangenheit sind wesentliche Ziele des ambitionierten Vorhabens.
Exemplarisch ausgewählte Filme ermöglichen sowohl Zugänge zum zeitgenössischen medialen Umgang mit der DDR als auch den analytischen Rückblick auf Strukturen und Funktionsweisen der SED-Diktatur: das ideologische Selbstverständnis von Staat und Partei am Beispiel eines Propagandafilms wie »Ernst Thälmann – Führer seiner Klasse«, die sozialistische Kulturpolitik anhand eines von der Zensur verbotenen Films wie »Karla«, die Artikulation individueller Lebensentwürfe in einer Musikdokumentation wie »flüstern & SCHREIEN« oder die retrospektive, humorvoll-nostalgische Betrachtung der Vergangenheit in einer Komödie wie »Sonnenallee«.
Auftakt am 9. November 2009
Auftakt der Veranstaltungsreihe war am 9. November 2009 im Filmmuseum Potsdam. Holger Rupprecht, Bildungsminister des Landes Brandenburg, Vertreter der Förderer und anderer Institutionen sowie Potsdamer Schülerinnen und Schüler waren als Gäste anwesend. Als Eröffnungsfilm lief Leander Haußmanns Kultkomödie »Sonnenallee«. Nach dem Film war Gelegenheit für Diskussionen zwischen dem Publikum sowie Filmemachern und Experten zum Film: der mit dem
Bundesfilmpreis ausgezeichnete Szenograph des Films, Lothar Holler, der Regisseur Peter Kahane, der Historiker Dr. Christoph Classen (Zentrum für Zeitgenössische Forschung, Potsdam) und die Journa-
listin Sophie Diesselhorst (CICERO). Dabei ging es vor allem um die Frage, ob Komödien über die DDR ein taugliches Mittel zur Auseinandersetzung mit der Diktatur sind, ob sie zur Verharmlosung oder Verklärung beitragen oder nicht doch weit darüber hinauswirken.
„Sonnenallee“ stieß auf große Resonanz
Das Beispiel »Sonnenallee« bewies bei acht weiteren Veranstaltungen in Kinos des Landes Brandenburg (Bad Freienwalde, Kleinmachnow, Wittstock, Schwedt, Wildau – aufgrund der großen Nachfragen wurden statt ursprünglich zwei geplanter weitere sechs Veranstaltungen angeboten) seine Eignung für die Anregung zur intensiven Beschäftigung mit den genannten Themen. Jede Veranstaltung wurde ergänzt und bereichert durch eine moderierte Diskussion zwischen dem Publikum und den Gästen. Die unmittelbaren Begegnungen mit Filmschaffenden, Zeitzeugen oder Experten sowie deren Positionen damals wie heute konnten (Film-)Geschichte lebendig und individuell erfahrbar machen. Sie eröffneten über die Filmquellen hinaus zusätzliche, erkenntnisfördernde Dimensionen.
DEFA-Klassiker eröffnen ungewohnte Einblicke
Die weiteren Filme der Reihe (»flüstern & SCHREIEN« und »Ernst Thälmann – Führer seiner Klasse«) erlebten bei jeweils zwei Vorführungen mit insgesamt rund 250 Schülerinnen und Schülern in Brandenburger und Berliner Kinos eine erstaunlich gute Resonanz und stellten damit gleichfalls ihre Eignung für die Ansprüche und Ziele des Projekts unter Beweis. Jede Veranstaltung schloss mit einem
mehr als einstündigen, zum Teil kontroversen Austausch zwischen dem Publikum und den Gästen zum Film (zu „flüstern & SCHREIEN“ der Regisseur Dieter Schumann und der Musiker Uwe Hassbecker, zu
„Ernst Thälmann – Führer seiner Klasse“ die Wissenschaftler und Publizisten Dr. Annette Leo und Dr. Günter Agde) über die Inhalte, Formen und Wirkungen der Filme.
Neue Methoden, fundierte Materialien
Um die Rezeptionshürden bei diesen historischen Filmen, die heutigen Sehgewohnheiten nicht mehr entsprechen, zu verringern und den Zugang zu diesen authentischen Quellen zu erleichtern, arbeitete die Moderation mit audiovisuellen Mitteln – kontrastierte Filmbilder mit dokumentarischem Foto- oder Textmaterial aus der Entstehungszeit. Ein erstmalig erprobtes Mittel in der Kinomoderation, das sich sehr bewährte. Das eigens für die Reihe entwickelte und auf die Rahmenlehrpläne ausgerichtete Begleitmaterial für den Unterricht förderte die weiterführende, vertiefende Auseinandersetzung, den
Wissenserwerb und nicht zuletzt die Ausprägung geschichtlicher und medialer Kompetenzen.
Reaktionen aus den beteiligten Schulen bestätigten die hohe Qualität der Veranstaltungs- und Publikationsreihe und deren Eignung für die Bildungsarbeit.
Fortsetzung in 2010 und Ausblick
Das Projekt zielt auf nachhaltige Ergebnisse und wird in diesem Frühjahr mit sieben Veranstaltungen im Land Brandenburg und in Berlin fortgesetzt, ergänzt um einen weiteren Schwerpunkt zum Alltag in der DDR. Die Begleitmaterialien zu diesem Film (»Erscheinen Pflicht«, Regie: Helmut Dziuba/1984) wird momentan erarbeitet und ab Mitte Februar 2010 den Schulen zugesandt bzw. auf der Projekt-Webseite www.ddr-im-film.de veröffentlicht. Auf diese Weise stehen die im Rahmen der Reihe bewährten Unterrichtskonzepte und Materialien dem Bildungsbereich dauerhaft zur Verfügung.
Die aktuellen Termine finden sich ebenfalls auf www.ddr-im-film.de.
Andere Bundesländer haben ihr Interesse an einer Übernahme des Veranstaltungskonzeptes angemeldet. Die filmische Auseinandersetzung mit der unmittelbaren Vergangenheit soll weitergehen.
Veranstalter und Förderer
Das Projekt wird veranstaltet vom Landesinstitut für Schule und Medien Berlin-Brandenburg (LISUM) in Kooperation mit FILMERNST. Gefördert durch den Beauftragten der Bundesregierung für die neu-en Bundesländer, die Robert Bosch Stiftung, die F.C. Flick Stiftung gegen Fremdenfeindlichkeit, Rassismus und Intoleranz sowie die Deutsche Kinder- und Jugendstiftung.